#7 – Was ist ein Erzähler ohne Lebensgefährten?

Habt ein kleinwenig Geduld bis zur Auflösung …

Es ist Montagmorgen

Das Festival ist vorbei und die Camper verlassen nach und nach das Gelände
Tracey Collins und ich wollen noch gemeinsam irgendwo frühstücken, bevor sich unsere Wege trennen. (Über Tracey und ihr Engagement in Geschichten werde ich euch im übernächsten Post mehr schreiben.)
Während wir so frühstücken, beschließt Tracey, doch nicht direkt nach Hause zu fahren, sondern zuerst Amy Douglas zu besuchen. Ob ich nicht mitkommen möchte? Was für eine Frage!

Amys Bude ist gerammelt voll

Sie ist selbst gerade erst von dem gleichen Festival zurückgekehrt. Neben ihrer Familie sitzt noch ihr Bekannter Tom mit am Tisch (war auch auf dem Festival) und Juliana Marin – eine junge Erzählerin aus Columbien – mit ihrem Partner. Die beiden erzählen sich gerade um die Welt.

Mir ist, ehrlich gesagt, noch etwas schwindelig vom Festival. Aber an diesem Tisch geht es schon wieder – oder immer noch – hoch her. Über die gehörten Geschichten und Mythen und war es nicht eigentlich ganz anders. Die Geschichten fließen in den Adern dieser Menschen. Amy lebt für Geschichten und fürs Erzählen. Deswegen beherbergt sie auch immer wieder und ganz selbstverständlich durchreisende Erzähler wie Juliana und ihren Freund.

Dann kommt Mike herein

Stimmt, da ist ja noch ein Fitzelchen Platz am Tisch.
Mike scheint ein paar Tage älter zu sein, als wäre er schon sicher im Rentnerleben gelandet. Er will Juliana zu einem Geschichtenabend abholen. Ob ich nicht mitkommen will? Ich könnte mich die Nacht auch in seinen Vorgarten stellen. Perfekt!
Mike organisiert den ‚Spoken Word Club‘ in Shropshire. Einmal im Monat treffen sich hier unterschiedlichste Menschen. Es wird Musik gemacht und gesungen, es werden Geschichten erzählt und Gedichte vorgetragen. Es wird getrunken und geknabbert. Was für eine schöne Idee!

Im Laufe des Abends wird mir klar, dass ich es mit Mike Rust zu tun haben

Ein Urgestein der hiesigen Erzählszene. Er erzählt selbst, seit er zwanzig ist. Er hat das sehr große und sehr bekannte Storytellingfestival ‚Festival At The Edge‘ (FATE) mitgegründet und viele Jahre lang mitgemanagt, bis sie es auf herausragende 1.500 Besucher brachten.
Auf dem Stuhl in seiner Küche, auf dem ich sitze und das köstliche Abendessen seiner Frau Lynn genieße, saßen schon hunderte Erzähler aus der ganzen Welt. Uih …
Noch ein Leben, das sich vollständig dem Erzählen widmet.

 

Also was ist ein Erzähler ohne Lebenspartner?

Laut Mike Rust ist es ein Mythos!
Kein Erzähler – egal wie bekannt, berühmt, beliebt – kann vom Erzählen allein leben. Alle haben zusätzliche Geldquellen: Lebenspartner, Erbschaften, andere Jobs (soweit dazu die Zeit bleibt) usw.
Das ist erstmal nicht ermutigend …

 

P. S. Im ‚Spoken Word Club’ durfte ich meine erste Geschichte auf Englisch erzählen. Alle Beteiligten sind noch am Leben und wohlauf. 😀

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