#20 – Die Kunst der Präsenz

‚Präsenz‘ ist ein ganz wichtiges Thema für uns Erzähler

Entsprechend häufig taucht das Thema auch in Workshops auf mit diversen Übungen. Kann man Präsenz lernen oder trainieren? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.
Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass dies ein Themenfeld ist, mit dem Colin Urwin sich im Rahmen seiner Erzählkarriere nicht auseinandersetzen musste. Er hat sich einfach.

Colin ist mir das erste mal auf der Bühne des Sean McCarthy Festivals in Finuge begegnet – zuerst als Sänger und dann als Erzähler. Beide Male fühlte ich mich quasi wachgerüttelt allein dadurch, dass dieser Mann die Bühne betrat.
Ich Verlauf meiner Reise hatte ich dann reichlich Gelegenheit, Colin zu lauschen. Ich hatte von ihm drei CDs mit Geschichten und eine CD mit Musk im Gepäck.

Es gibt viele Erzähler, die mich begeistern. Aber es gibt deutlich weniger Erzähler,

... die mich mit ihren Geschichten, ihrer Stimme und ihrer Art zu erzählen immer wieder tief im Herzen treffen.

Colin Urwin gelingt genau das – als Songwriter, Autor, Sänger und Erzähler. Ich muss ehrlich gestehen: Diese Gabe konnte ich bisher genauso wenig analysieren wie die Kunst der Präsenz. Was sehr schade ist für meine Erzählkarriere.

Den Abschluss meine Irlandaufenthaltes bildet das Cape Clear Storytelling Festival

Dort habe ich mir – zum Glück rechtzeitig – eine Karte gesichert für Colins Programm.
‚The Little Gold Ring‘ ist eine Geschichte über die spanische Armada vor der Küste Nordirlands im 16. Jahrhundert. Eine Geschichte über Gier und natürlich auch über Liebe.
Sie ist ein bezaubernder Teppich gewebt aus historischen Fakten und Legenden, in dem Colin wissenschaftlich ungeklärten Lücken mit seinen eigenen Märchen schließt, die so tief in der Liebe zu seiner Heimat verwurzelt sind, dass sie eigentlich auch wahr sein könnten.
Durchsetzt mit Gedichten und Gesängen, Getrommel und Gitarre hat mich dieses Programm so erfüllt, dass ich eigentlich die nächsten Tage erstmal keine Geschichten mehr gebraucht hätte …

Colins Liebe zum County Antrim hört man sehr deutlich in seinen Geschichten

Die Liebe ist aber nicht nur rein künstlerischer Natur. Sie ist sehr handfest und bodenständig.
Wir sind drei Erzählerinnen aus drei Nationen und mit Colin zum Frühstück verabredet.

Frühstück ist super!

Irgendwo gemütlich hinsetzten, Kaffee trinken und klönen. Nicht mit Colin: „Lasst uns Brot und Käse kaufen, dann können wir draußen picknicken.“
So gestärkt sind wir mit Colin durch die hügelige Heidelandschaft entlang der wilden irischen Küste gewandert. Natürlich habe ich einen großen Teil meiner Reise in der Natur verbracht, aber selten habe ich mich ihr so nahe gefühlt wie an diesem Tag.

Was also verleiht einem Menschen diese unaufdringliche Präsenz?

Die Naturverbundenheit mit einer ordentlichen Portion Erdung? Die Kombination vieler kreativer Ausdrucksmöglichkeiten mit denen man das Leben und sein Umfeld betrachtet und begleitet?
Wenn ich Colin Urwin das nächste Mal treffe, muss ich ihn unbedingt fragen …

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